Wer ausgetretene Pfade verlassen will, benötigt dafür das richtige Gerät. Der Anbieter Krug aus Österreich weiß das – und steckt all sein Wissen in seine Arocs mit Expeditionsaufbau.
Mit Leidenschaft.
Es wird ernst für den grauen Quader: Ein mobiler Kran ist in Position gebracht – daran befestigt: Stahlträger, die die Gurte aufnehmen, mit denen der Quader jetzt angehoben wird. Ganz sachte schwebt das Stück, eine 3,8‑Tonnen schwere Wohnkabine mit Tür und Fenstern, himmel- und seitwärts. Noch langsamer wird es abgesenkt – auf das Chassis eines Arocs 1840 4×4.
Eine Hochzeit steht an.
„Ich bin um zwei Uhr nachts aufgestanden und dann sechs Stunden durch den Regen gefahren, damit ich das hautnah miterleben kann“, sagt Michael Schwery aus der Schweiz, der künftige Besitzer des Fahrzeugs, das hier gerade montiert wird: ein Reisemobil der Extraklasse auf Basis des Arocs. Hier, das ist das Gelände der Krug Expedition GmbH im österreichischen Schladming am Fuß des Dachsteingebirges.
Das Unternehmen ist spezialisiert auf solche Expeditionsfahrzeuge. Jeder Handgriff sitzt. Jetzt übernimmt das Sirren und Rattern der elektrischen Schrauber mit Drehmomentbegrenzung den Takt. Ein Set von 36‑Millimeter-Schrauben sichert die dauerhafte Verbindung zwischen Wohnkabine und Chassis – die Hochzeit, wie dieser Akt auch symbolträchtig genannt wird. Michael Schwery ist die Freude darüber anzusehen.
Auch Slawa Knorr ist zufrieden: „Das hat wieder reibungslos geklappt. Wir sind immer sehr stolz, wenn ein Chassis mit einer unserer Kabinen vereint wurde“, sagt der Geschäftsführer von Krug Expedition. Rund 100 Fahrzeuge hat die Firma seit der Gründung in den Büchern, allein 2022 sollen weitere 35 folgen.
Offroad-Enthusiasten sind sie hier alle. Werner Müller aus dem Verkauf war selbst schon mit einem Expeditionsmobil auf Weltreise. Heute ist die Strecke kürzer: Das frisch vermählte Gespann kurvt zu einer Wiegestation. Der 290‑kW‑Motor bringt den Arocs zügig durchs Alpenland. 12,6 Tonnen zeigt die Waage an. „Da kommt noch ein bisschen was dazu, bis wir mit allen Um‑ und Anbauarbeiten fertig sind“, sagt Müller.
Zur Erprobung gehört auch eine kurze Testfahrt über ein hügeliges Schotterfeld. Mit dem Drehknopf rechts vom Lenkrad aktiviert Müller die Differenzialsperren, das Sekundärdisplay gibt die optische Rückmeldung – und der Arocs bewegt sich sicher und geschmeidig über die Halde.
„Mercedes hat mit dem Arocs ein tolles Fahrzeug. Das Design ist klasse, und das Fahrgestell bietet uns viele Möglichkeiten.“
Die inneren Werte.
Zurück auf dem Firmengelände klettert Geschäftsführer Knorr über eine Leiter in die Wohnkabine – die elektrisch ausfahrbare Treppe muss noch angebracht werden. Das Innere ist minimalistisch gehalten, damit möglichst wenig kaputtgehen kann. Knorr zeigt auf die kleine Küche mit Elektrobackofen und Induktionskochfeld. „Die Geräte werden über die Batterien betrieben, die unter der Sitzecke versteckt sind.“
Knorr hebt den Tisch zur Seite und öffnet den Fußboden darunter. Hier sind Heizung und Wasserversorgung untergebracht. „Alles ist sehr kompakt. Ich fühle mich hier eher wie in einer kleinen Wohnung als in einem Fahrzeug“, sagt er schmunzelnd. Dafür sorgen auch die Echtglasfenster. Oder das Mini-Badezimmer mit chemiefreier Toilette, Waschbecken und Dusche. „Nach einem langen Tag auf staubigen Pisten ist man doch froh, wenn man sich eine warme Dusche gönnen kann.“
Für alle Fälle.
Zu den Features des Fahrzeugs gehören zwei extragroße Dieseltanks plus Wasserabscheider. „Unerlässlich, wenn man in fernen Ländern unterwegs ist und sich nicht auf europäische Dieselqualität verlassen kann“, so Knorr. Allradantrieb ist selbstverständlich, genau wie die Reifendruckregelung. „Je weniger Luftdruck, desto besser ist die Traktion auf Sand“, erläutert er.
680
Liter fassen die Dieseltanks.
60
Millimeter Sandwichwand isolieren so gut wie 300 Millimeter Holzwand.
Solarpaneele füttern die großen Lithiumbatterien. Und wenn darauf Schnee und Eis liegen? „Dann kommt ein Generator ins Spiel, dadurch sind unsere Lkw auf alles vorbereitet“, sagt Knorr. Die Heizung ist an das Basisfahrzeug gekoppelt, damit der Motor mit der Heizung aus der Kabine vorgeheizt werden kann, aber auch umgekehrt. „So hat man es in der Kabine direkt schön warm, wenn man nach einer Fahrt vom Cockpit in die Wohnkabine kommt“, erklärt er. Dank der Wasseraufbereitungsanlage wird Fluss‑ zu Trinkwasser. „Lebenswichtig abseits der Zivilisation.“
Stichwort Zivilisation: Als Fallschirmspringer und Wingsuit-Base-Jumper liebt der Schweizer und künftige Expeditionsmobil-Besitzer Michael Schwery zwar das Risiko. Sicherheit ist ihm trotzdem wichtig. Daher lässt er eine 360‑Grad-Kamera-Anlage und einen Durchstieg zwischen Wohnkabine und Fahrerhaus installieren. „Mit den Kameras, die Bildschirme im Wohnraum sowie im Cockpit haben, sehe ich jederzeit, was rund um das Fahrzeug passiert. Wenn draußen etwas nicht stimmt, bin ich sofort im Fahrerhaus und kann abfahren.“ Eine Dreifachverriegelung an jeder Tür und den Fenstern beruhigen zusätzlich.
Der Schweizer verlässt das Firmengelände mit einem verträumten Blick und voller Vorfreude: Die erste Weltreise mit seinem Arocs ist bereits in Planung.
Fotos: Krug Expedition/Harald Steiner; Alexander Tempel
Videos: Alexander Tempel