Clevere Kombination
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Im Furka-Basistunnel sind Arocs als Zwei-Wege-Fahrzeuge für die Feuerwehr im Einsatz.

Der nächste Winter kommt bestimmt. Dann passieren wieder zahlreiche Winterurlauber in den Autozügen der Matterhorn Gotthard Bahn den Furka-Basistunnel. Da Tunnelsicherheit in der Schweiz großgeschrieben wird, gibt es eine top ausgestattete Tunnelfeuerwehr. Sie setzt auf Arocs mit Zwei-Wege-Technik.

Eiger, Jungfrau, Mönch, Monte-Rosa-Massiv, Pilatus oder Piz Bernina haben bei Bergsteigern einen guten Klang. Und stehen nicht allein da: Mehr als 3.350 Gipfel in der Schweiz sind über 2.000 Meter hoch. Imposant ist die Bergwelt der Alpen und des Juras. Allerdings stellte sie für die Menschen über Jahrtausende vor allem ein gewaltiges Verkehrshindernis dar. 

Noch heute machen die Höhenunterschiede dem Schienenverkehr zu schaffen – besonders im Winter, wenn Hunderte von Pässen unpassierbar sind, aber auch im Sommer. Herkömmliche Eisenbahnen sind aufgrund des geringen Reibungswiderstands zwischen Rad und Schiene naturgemäß nur in eingeschränktem Maß in der Lage, Steigungen zu überwinden. Die Lösung im Gebirge: zahlreiche Kurven und Tunnel oder Zahnradbahnen. In Hochgebirgsmassiven wie den Alpen müssen Schienennetzbetreiber für eine ganzjährig nutzbare Verkehrslösung sogar noch einen Schritt weitergehen. Das Zauberwort heißt Basistunnel. Das sind Tunnel, die in einer Linie und ohne steile Rampen durch einen Berg führen. 

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Mindestens so wichtig wie Personenzüge ist der sogenannte Autoverlad durch den Furka-Basistunnel.

Von solchen Basistunneln gibt es in der Schweiz eine ganze Reihe mit Längen zwischen acht Kilometer (Hauenstein-Basistunnel) und 57 Kilometer (Gotthard-Basistunnel) Länge. Auch der 1982 eröffnete Furka-Tunnel, der auf der 144 Kilometer langen Strecke zwischen Zermatt und Disentis Teil der Matterhorn Gotthard Bahn ist, gehört dazu. Mit seinen knapp 15,4 Kilometer Länge liegt er zwar eher im Mittelfeld, dafür verbindet er die mit Abstand spektakulärsten und exklusivsten Bergregionen der Schweiz: Wer mit dem berühmten „Glacier Express“ bei Champagner und gediegenem Lunch im gläsernen Waggon von Zermatt bis nach St. Moritz reist, nutzt den Furka-Basistunnel ebenso wie Tausende von Wintersportlern aus Deutschland und der Zentralschweiz, die jedes Jahr im Oberwallis Skiurlaub machen.

Das Südportal des Tunnels befindet sich in 1.368 Meter Höhe bei Oberwald im Kanton Wallis. Von dort führt der Tunnel ins 170 Meter höher gelegene Realp im Kanton Uri. Der Basistunnel ersetzt die alte Furka-Bergstrecke mit dem dazugehörigen Scheiteltunnel, deren höchster Punkt sich 2.160 Meter über dem Meer befindet. Im Winter musste dort früher der Bahnbetrieb eingestellt werden. Die Walliser Kantonsregierung setzte jedoch auf Bundesebene den Bau eines Basistunnels durch, der heute einen ganzjährigen Betrieb der Strecke ermöglicht. Mehr als 225.000 Autos werden jedes Jahr auf den Autotransportzügen verladen. Das Passagieraufkommen beträgt 7,3 Millionen Reisende. Hinzu kommen 41.000 Tonnen Fracht.

1368

Meter hoch liegt das Südportal des Furka-Basistunnels.

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Sichere Verbindung: Ein von zwei Arocs angetriebener Lösch- und Rettungszug der Matterhorn Gotthard Bahn nähert sich bei Realp dem Furka-Basistunnel, der das Rhonetal mit der Zentralschweiz verbindet.

Die Matterhorn Gotthard Bahn verfügt über eine Betriebsfeuerwehr mit 46 Mitarbeitern. Für den Furka-Basistunnel hat die Feuerwehr an den Endpunkten ihre Wachen. Die Feuerwehrleute sind Freiwillige, die alle bei der Bahn noch einen anderen Job haben. So auch Kommandant Roland Guntern, der betont: „Wir sind keine Berufsfeuerwehr, sondern eine Milizorganisation. In der Schweiz bezeichnet das die nebenberufliche Ausübung öffentlicher Aufgaben.“ Als Feuerwehrinstruktor führt der 46-Jährige regelmäßig Ausbildungen durch. Im Hauptberuf ist er seit sechs Jahren Lokführer. Naheliegend, dass er da auch für die Ausbildung an den neuen Rettungsfahrzeugen des Furka-Basistunnels verantwortlich ist. Die beiden an den Tunnelausgängen stationierten Lösch- und Rettungszüge arbeiten nicht mit klassischen Lokomotiven, sondern mit jeweils zwei Arocs 2642, die als Zwei-Wege-Fahrzeuge ausgelegt sind und in ihrer Mitte einen Sanitätswagen bewegen. Die Lkw fahren immer rückwärts in den Tunnel, wobei der erste Arocs als Löschfahrzeug ausgelegt wird, dann folgt ein Sanitätswagen und schließlich der zweite Arocs, der als Personentransporter für bis zu 30 Passagiere fungiert. Bei einem Tunnelbrand kann so der erste Arocs an der Gefahrenstelle bleiben und gegen die Flammen kämpfen, während der zweite den Sanitätswagen und die evakuierten Menschen ins Freie zieht.

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Zwei Jobs: Roland Guntern – Lokomotivführer und Kommandant der freiwilligen Feuerwehr.

„Tunnelbrände sind speziell. Je schneller man drin ist, desto besser.“

Roland Guntern, Lokführer Matterhorn Gotthard Bahn
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Schlagkräftiges Trio: Der vordere Arocs hat einen Überdruckcontainer zur Evakuierung von Personen aus dem Tunnel an Bord, in der Mitte befindet sich ein Sanitätswagen zur Versorgung von Verletzten, ganz hinten das Löschfahrzeug.

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Der neue Feuerwehrzug hat mehr Kapazität und passt dennoch in die bestehende Remise.

Beide Arocs sind Prototypen, die der deutsche Zwei-Wege-Produzent Hilton in Zusammenarbeit mit Custom Tailored Trucks, dem Umbauspezialisten von Mercedes-Benz Trucks, entwickelt hat. „Als die Erneuerung unserer Rettungszüge anstand, wurden mehrere Varianten durchgespielt“, erzählt Andreas Schmid. Er ist seit 13 Jahren Projektleiter bei der Matterhorn Gotthard Bahn und dort für Beschaffung, Modernisierung und Instandhaltung verantwortlich. „Die neuen Lösch- und Rettungszüge sollten in die bestehenden Remisen passen und eine höhere Transportkapazität als das vorhandene Einsatzfahrzeug besitzen.“ 

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„Mercedes-Benz ist in der Lage, auf die speziellen Umbauwünsche des Zwei-Wege-Herstellers einzugehen und zuverlässige, qualitativ hochwertige Lkw bereitzustellen, was uns besonders wichtig war.“

Andreas Schmid, Projektleiter Matterhorn Gotthard Bahn
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Projektleiter Andreas Schmid.

Favorisiert wurde am Ende die ebenso flexible wie günstige Kombination, die auf zwei Arocs als Antriebsfahrzeuge setzt. Ein weiterer wichtiger Grund: Die vorhandenen Sanitätswagen konnten nach wenigen Modifikationen weiterverwendet werden. 

Der Arocs Feuerwehrzug hat zwar insgesamt durchaus einen stolzen Preis. Aber die Alternative mit reinen Schienenfahrzeugen hätte unterm Strich fast das Doppelte gekostet. Für die Lösung von Hilton und Mercedes-Benz sprach außerdem, dass der Spezialist bereits seit annähernd 100 Jahren in der Eisenbahntechnik aktiv ist und schon zahlreiche individualisierte Fahrzeuge auf die Schiene gebracht hat. „Mercedes-Benz wiederum ist in der Lage, auf die speziellen Umbauwünsche des Zwei-Wege-Herstellers einzugehen und zuverlässige, qualitativ hochwertige Lkw bereitzustellen, was uns besonders wichtig war“, erläutert Andreas Schmid. Im Zuge des Umbaus mussten die dreiachsigen Arocs verlängert und mit einem Hilfsrahmen sowie einer vierten Achse ausgestattet werden. Zudem wurden an den Hauptrahmen verschiedene Aggregate versetzt, um Platz für die hydraulisch einfahrbaren Schienenfahrwerke zu schaffen.

Auch die Züge selbst fahren mit Hydraulikmotoren, die sich an jeder Achse des Schienenfahrwerks befinden. Bis zu 50 Kilometer pro Stunde schafft die sogenannte Lösch- und Tunnelrettungskomposition. Ihre Energie beziehen die Hydraulikmotoren von den Motor-Nebenantrieben der beiden Arocs. Pro Zug stehen so zweimal 310 kW bereit, um den Zug zu beschleunigen – oder per Hydraulikbremse zu verzögern. Die Löschpumpe des vorderen Arocs, der 5.000 Liter Löschwasser an Bord hat, arbeitet ebenfalls mit der Leistung, die der Arocs-Motor via Nebenantrieb bereitstellt.

Der gesamte Löschzug lässt sich von einem einzigen Fahrer per Joystick bedienen – und zwar von jedem Fahrerhaus und jedem der drei zusätzlichen Steuerstände aus. Neben dem ersten Steuerstand gibt es eine Rampe, die es den Feuerwehrleuten erleichtert, aus dem Fahrzeug zu klettern, das Feuer anzugreifen und Menschen zu retten. 

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Zwei Räume: Eine Schleuse mit Atemschutzgeräten ist dem Container für die Einsatzkräfte vorgelagert.

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Voll ausgerüstet: Der kombinierte Lösch- und Rettungszug hat jede Menge Feuerwehr­equipment an Bord.

5000

Liter Löschwasser hat der Rettungszug an Bord.

Der Aufbau eines jeden Arocs kann abgesetzt werden. Er besteht unter anderem aus einem speziellen, mit Sauerstoffflaschen ausgerüsteten Überdruckcontainer, damit kein giftiger Rauch eindringen kann – ein extra gesicherter Bereich für bis zu zehn Einsatzkräfte, abgetrennt durch eine Schleuse, die auch die Feuerwehrausrüstung aufnimmt. 

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Der Zug besitzt fünf Steuerstände und lässt sich auch vom Fahrerhaus aus bewegen.

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Maßgeschneidert: Das Schienenfahrwerk ist im Lkw-Rahmen integriert, dafür mussten Aggregate versetzt werden.

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Da die modifizierten Arocs 12,50 Meter und 32 Tonnen nicht überschreiten, besitzen sie auch eine Straßenzulassung. „Allerdings müssen beim Einsatz auf der Straße die 5.000 Liter Löschwasser des ersten Arocs abgelassen werden“, so Kommandant Roland Guntern, der die Arocs schon auf der Straße ausprobiert hat. „Andernfalls sind wir dann doch zu schwer!“

In der Regel werden die Arocs nur selten aus der Remise geholt. Ab und zu absolvieren sie Instruktionsfahrten und werden bei den beiden obligatorischen jährlichen Feuerwehrübungen eingesetzt. Das sollte, wenn es nach Roland Guntern geht, immer so bleiben: „Tunnelbrände sind speziell. Je schneller man drin ist, desto besser. Die Hauptherausforderung im Furka-Basistunnel wären die Pkw. Jedes Fahrzeug in diesen Autozügen hat Kraftstoff an Bord. Wenn der sich entzündet, dann haben wir einen mächtigen Feind.“

Und so hofft er gemeinsam mit all seinen Kollegen, dass es bei den Übungen bleibt und die beiden Lösch- und Tunnelrettungskompositionen niemals im Ernstfall ihre Einsatzfähigkeit unter Beweis stellen müssen. „Aber“, unterstreicht der Kommandant, „sie könnten es!“

Fotos & Video: Matthias Aletsee
 

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